Im Mai feierte der Beste seinen großen, runden Geburtstag und ihr wisst schon, wenn man langsam in die Jahre kommt, verliert die wilde Partyszene ihren Reiz. Also gab es nur Kuchen und Pizza mit Eltern sowie Schwiegereltern und statt einem bombastischen Birthday Bash einen gemütlichen Trip zu zweit ins beschauliche Zürich. Nun ja, beschaulich ist in diesem Kontext relativ, seid mir nicht böse, liebe Zürcher. So nennt man sie übrigens wirklich – Zürcher, nicht Züricher. Die Stadt ist das globale Zentrum der Bank- und Finanzwirtschaft sowie ein kontinentaler Verkehrsknotenpunkt – informiert mich Wikipedia – und das konnten wir an den Unmengen von Luxuskarossen, die mit ihren röhrenden Motoren entlang des Zürichsees bretterten sowie den vielen Menschen, sie durch die Stadt strömten, unschwer nachvollziehen.
Blendet man jedoch diese beiden Massenphänomene einmal aus, präsentiert sich der Kern von Zürich als eine Ansammlung von überdurchschnittlich vielen pittoresken Häusern, die sich gemütlich an einen großen blauen See schmiegen. Am Horizont schimmern die weißen Gipfel der Alpen und auf dem See wehen die noch weißeren Segel der Boote. Es verwundert nicht, dass – laut Wikipedia – Zürich als eine der Städte mit der weltweit höchsten Lebensqualität gelistet wird. Nicht bei dieser Aussicht, die man von vielen Punkten der Stadt aus genießen kann. Auch nicht, wenn ich daran zurückdenke, dass man dort seine Zeit neben ausschweifenden Spaziergängen durch die malerischen Gassen der Altstadt vertrödeln kann. Oder sie sich mit einer Bootsfahrt auf der Limmat oder gleich dem ganzen See vertreiben kann. Oder eine Radtour am See entlang macht auf einem der von der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellten Velos. Oder ein paar Stationen mit der Bahn fährt und auf dem Üetliberg wandern geht, See- und Alpenpanorama immer im Blick.
So ungefähr sah unser viertägiges Zürich-Programm nämlich aus. Wir kamen dort an mit der Erwartung einer mondänen Metropole und wurden positiv überrascht von der idyllischen Atmosphäre einer quirligen, jedoch überschaubaren Stadt. Was Flughafen, Hauptbahnhof und Luxusshoppingmeilen in Hinblick auf weltstädtisches Flair hielten, machten Altstadt, See und Wanderwege wieder wett. Ich gebe zu, vor ein paar Jahren noch wäre ich auf die mondäne Seite Zürichs ziemlich abgeflogen. Heute interessieren mich aber weder die Luxus-Shops noch die Luxus-Autos, Luxus-Boote, Luxus-Menschen oder sonst irgendwas mit Luxus vornedran.
Mein persönlicher Luxus ist Zeit geworden. Zeit für mich, um meinen Gedanken nachzuhängen, um mich treiben zu lassen, um Neues zu entdecken. Zeit für uns, um gemeinsam Liebe zu tanken, füreinander. Von dieser Warte aus betrachtet waren diese paar Tage ein 5-Sterne-Luxus-Urlaub. So viel ungestörte Zeit nur für uns beide hatten der Beste und ich lange nicht mehr – genau genommen noch nie, seit die Kids bei uns sind. Zusammen total unvoreingenommen auf Entdeckungstour zu gehen war ein verdammt guter Geburtstagswunsch vom Mann, das muss ich ihm lassen.
Wir stromerten durch die verwinkelten Gassen der Altstadt und stießen auf wunderschöne Hinterhöfe und dunkle Kirchen. Wir genossen eine schnelle Kalbsbratwurst, hielten ein Käsefondue-Gelage ab und fanden die beste Schokolade, die wir je gegessen haben. Wir saßen am See mit einem Bier in der Hand. Wir leihten uns Fahrräder und fuhren am See entlang bis in die weniger touristischen Winkel der Stadt. Wir schipperten mit einer Barkasse über die Limmat und mit einem Boot über den See. Wir wanderten hoch oben über der Stadt durch Wiesen und Wälder, vorbei an Kühen mit Almglocken. Was wir nicht machten? Unsere Opernkarten ließen wir verfallen, weil wir uns am Abend zu müde gefühlt haben nach einem Tag voller neuer Erlebnisse. Ein wenig traurig waren wir schon, aber zu wissen, wann es genug ist, tut uns gut. Wir sehen es als Gewinn an Entspannung statt Verlust einer Turandot-Vorstellung.
Ein paar Schweizer Klischees mischten sich in unseren Zürich-Urlaub und das ist okay so. Es war unser ganz eigenes Erlebnis. Eines, dass wir in unsere gemeinsame Reiseschatzkiste packen und gut aufbewahren werden.
Ich hole mir jetzt ein Stück von der leckeren Schoki und schwelge in Genuss und Erinnerungen.