
Ich bin auf einer Reise. Mitten im Jahr und mitten in meinem Leben. Unsere große Sommerreise führt uns nach Südfrankreich, in die Occitane, in die Nähe von Narbonne. Meine Lebensreise hat mich zur vierzig geführt, an einen Ort in mir, den ich sehr gerne mag. Mit mir ist es ähnlich wie mit den Franzosen: man hat es nicht immer leicht mit uns. Wir sind gerne unvollkommen, chaotisch und spunghaft. Voller Widersprüche, mon dieu! Aber wir können auch sehr witzig, aufmerksam, charmant und selbstironisch sein. Das Wichtigste: wir wissen, wie wir das Beste aus unserem Leben machen.
Das savoir vivre, das haben die Franzosen für sich patentiert und ich für mich entdeckt.



Das savoire vivre ist für alle, die sich lieber selbst als dem Rest der Welt gefallen. Für diejenigen, die Haltung zeigen und Schönes lieben. Die entdecken, diskutieren, wissen, wachsen, aber auch schwärmen wollen.
In der letzten Zeit schwärme ich für die Lässigkeit, die sich bei der Betrachtung meiner Selbst und meines Lebens auf meine Schultern legt. Die Zeit des Suchens und des Fragens ist sicher nicht vorbei, sie begleitet mich hoffentlich noch ein Leben lang. Aber ich muss mich nicht mehr fragen müssen, wer ich eigentlich bin und was ich wirklich will. Manchmal vielleicht noch ein kleines bisschen, solange ich lebe, möchte ich wachsen. Das geht nur, wenn ich mehr Fragen an das Leben habe als Antworten zu kennen glaube. Aber die Eckpfeiler meines Lebens und meines Selbst, die habe ich gefunden. An denen ist nicht mehr zu rütteln und das fühlt sich gut an.




Das Leben leben, nicht nur überleben – das scheint mir der Trick zu sein beim savoir vivre.
Ja, unter den pandemischen und gesellschaftlichen Umständen drei Kinder großzuziehen kann verdammt anstrengend sein. Überleben ist manchmal der vorherrschende Modus. Aber oft genieße ich einfach. Meine Kinder, meinen Mann, unser Leben.
Im Moment genieße ich dieses herrlich entspannte Süd-Frankreich mit seinen atemberaubenden Landschaften, dem köstlichen Wein, dem formidablen Essen. Freue mich über das uralte Weingut, auf dem wir hier urlauben und die humorvoll-kreative Einrichtung des Herrenhauses und unseres einzigartigen Appartements. Der Ort, das Design, das gemeinsame Abendessen unter Platanen im Innenhof mit den anderen Gästen, alle sehr interessante und freundliche Menschen. Die Domaine des Agnelles ist ein herrlicher alter Ort, und ich bald eine ältere Frau. Herrlich!


Das Alter ist für mich kein Kerker, sondern ein Balkon, von dem man zugleich weiter und genauer sieht.
Marie Luise Kaschnitz, Schriftstellerin