Long time no see… seit fast einem Jahr leben wir schon zu fünft, aber Zeit für das Schreiben ist immer noch sehr rar gesät. Leben mit drei Kindern in unterschiedlichsten Altersstufen und mit völlig konträren Persönlichkeitsausprägungen ist vor allem eins: voll. Voll von beobachten, von da sein, von Anregungen bieten, von begleiten, von tarieren, anpassen, immer wieder neu justieren. Voll von Liebe geben und bekommen, voll von Lachen, voll von Wäschebergen. Auch voller Tränen, Frust, Streit und Auseinandersetzungen, das wollen wir nicht unter den Teppich kehren. Die Bedürfnisse eines achtjährigen kontaktfreudigen, aber sehr ruhebedürftigen und nachdenklichen Jungen, der schon zur Schule geht, sind ganz andere als die eines ausgelassenen, aber empfindsamen fünfjährigen Mädchens, das noch die Schonzone der Kindergartenzeit genießt. Ein aufgewecktes und sehr nähebedürftiges Baby wiederum möchte pausenlose Anregung und körperliche Präsenz von Papa oder Mama.
Die bisher größte Herausforderung unseres Lebens.
Wir bekommen das hin, fallen, stehen wieder auf, machen weiter. Fallen, fangen von vorne an. Wir handeln pragmatisch und konzentrieren uns auf das Wesentliche: die physische und emotionale Sättigung unserer Kinder. Während einer von uns das Kapital ranschafft für die 16 Mahlzeiten am Tag, stellt der andere unaufhörlich emotionale Reserven bereit für die Herzensbildung der Herzchen.
Für andere Dinge bleibt weder Zeit noch Energie. Das akzeptieren wir an einigen Tagen mehr, an anderen weniger gut, aber auf Eins können wir uns immer verlassen:
Unsere tiefe Dankbarkeit für die vielen Privilegien, die wir genießen.
Uns wurde die Familie gegönnt, die wir uns gewünscht haben, wir sind alle gesund, gut abgesichert, können unser Leben frei gestalten wie wir möchten, ohne gezwungen zu sein, einen Job machen zu müssen, den wir nicht wollen, uns um unsere Kinder in dem Umfang kümmern, den wir für richtig halten und vor allem: wir haben uns. Keiner von uns ist allein. Wir haben wahnsinnig viel Glück gehabt im Leben und das vergessen wir an keinem einzigen Tag.
Jetzt ist Corona da, mit vielen Einschränkungen, aber auch einigen ungeahnten Möglichkeiten. Während viele Eltern ächzen unter der gleichzeitigen Last von Home Office, Home Schooling und Rund-um-die-Uhr-Home-Kinder-Bespassing (We feel you, Schwestern und Brüder!) hat sich bei uns durch die Schul- und Kitaschließung gar nicht so viel geändert. Ich war es vor Corona schon gewohnt, nur 3 Stunden am Tag ohne die großen Kinder zu sein, das Baby ist ja sowieso immer bei mir. Bespassung der Herzchen von früh bis spät ist Daily Business, als Familienarbeiterin ist mein Office immer zuhause und das Homeschooling in Form von Hausaufgabenbetreuung durch uns Eltern ohne Unterstützung von OGS-Personal konnten wir auch schon hinreichend einüben.
Uns trifft diese Krise nur glimpflich und wir sind wieder sehr dankbar für so viel Glück: Papa kann weiter wie gewohnt arbeiten, mein Leben hat sich nur minimal geändert und die Mädchen lassen sich von Kontaktsperre und Co. wenig tangieren. Zuhause bleiben, lesen, malen, frei spielen – ein Traum für unsere Midi. Der Einzige, den diese viralen Tragödie wirklich trifft, ist unser Großer, der drei Dinge schmerzlich vermisst: die Schule, die langen unverplanten Nachmittage an der frischen Luft im Kreise seiner Freunde und die heißgeliebten Besuche bei seinen Großeltern. Zu süß, wenn es nicht so traurig wäre. Ein großes Paket für einen kleinen Mann, aber er ist stark. Und er hat uns.
Es tut uns von Herzen Leid für ihn und wir trösten, was das Zeug hält. Aber mal unter uns: aus Eltern-Sicht finden wir es sehr schön, durch die Kontaktsperre wieder viel mehr Zeit mit ihm und damit als gesamte Familie zu haben. Dass er langsam anfängt, lieber mit seinen Freunden anstatt mit seinen Eltern und kleinen Schwestern zu abzuhängen ist natürlich und gut, aber:
Schön, dass das Leben die Pausen-Taste bei dieser unaufhaltsamen Entwicklung gedrückt hält, für eine kurze Zeit.
Wir lächeln verschmitzt hinter vorgehaltener Hand. Danke dafür.
Wir sind näher zusammengerückt. Verbringen viel gemeinsame Zeit, versuchen es uns schön zu machen, uns so wenig wie möglich zu grämen. Auch wenn wir Oma und Opa sehr vermissen, die ein so großer Teil unseres Lebens sind. Und wir gerne wieder mit einem kühlen Bier in der Hand die neuesten Familieneskapaden mit unseren Freunden in der Frühlingssonne austauschen würden. Und wir enttäuscht sind, dass wir über Ostern nicht in die Heide fahren und Babykätzchen auf dem hübschen Hofgut streicheln können. Auf diesen Urlaub hatten wir uns schon den ganzen langen dunklen Winter über gefreut, Mensch! Aber
alles in allem erleben wir fünf hier einen milden Verlauf,
von einzelnen Tagen, an denen nacheinander von ganz Groß bis ganz Klein alle die Nerven verlieren, mal abgesehen.
Wir sind gespannt wie lange das noch gut geht und hoffen, es ist nicht die Ruhe vor dem Sturm und der Lagerkoller sucht uns doch noch heim. Wer weiß, was die Zeit noch bringt? Wir harren der Dinge und schreiben derweil unser Corona-Tagebuch. Damit der Blog wieder wenigstens ein wenig mit Leben gefüllt wird, und wenn es nur unser schnöder Alltag ist. Wir mögen ihn, so wie er ist.
Hallo,
danke für diesen Artikel, der Mut macht. Genau so sehe ich es auch. Wir befinden uns in einer so priviligierten Lage, das wir auch mit dieser Krise gut zurecht kommen. Und sind wir mal ehrlich. Ein wenig Entschleunigung im Leben tut uns doch auch gut.
Grüße
Isa
Liebe Isabelle,
es freut mich sehr, das mein Artikel dir Mut macht! Du hast Recht was die Entschleunigung angeht, uns tut sie jedenfalls sehr gut. Auch wenn ich hier nicht verharmlosen möchte, dass diese Krise viele Menschen gesundheitlich und wirtschaftlich an die Grenzen bringt.
Danke für deinen Kommentar und ganz viele Grüße zurück!
Barbara