Eingewöhnung in die Fremdbetreuung ° Ein Drama in 5 Akten

Auftakt

Ich habe letzte Woche die fünfte Eingewöhnung in die Kleinkindbetreuung hinter mich gebracht. Pfff, ich musste erst nachzählen und als ich die Zahl dann hatte, bin ich ein wenig erschrocken. Sie bezieht sich zwar auf zwei Kinder, ist aber trotzalledem doch nicht ohne.

 

Erster Akt ° Die Eingewöhnung eines Einjährigen bei der Tagesmutter

Ihren Lauf nahm die Geschichte der Fremdbetreuung meiner Kinder als der Sohn ein Jahr alt war. In dem Jahr Elternzeit mit meinem ersten Kind ist mir nach ein paar Monaten dermaßen die Decke auf den Kopf gefallen, dass ich unbedingt wieder arbeiten gehen wollte. Also suchte ich eine Tagesmutter und gab meinen Sohn für mehr als 30 Stunden die Woche in ihre Obhut. So machten es viele andere Akademiker-Muddis um mich herum ebenfalls und ich stellte das gar nicht groß in Frage. Ganz im Gegenteil, statt der dauerstillenden, ungekämmten „Hausmutter“ war ich endlich auch eine dieser coolen neuen „Working-Moms“.

Mein Herz tat zwar weh, meinen kleinen Jungen jeden Morgen weinend bei einer zwar freundlichen und warmherzigen, jedoch ihm völlig fremden Frau zu lassen. Aber ich schluckte den Schmerz runter, stürzte mich in die Arbeit und versuchte auch sonst nicht an das traurige Gesicht meines Sohnes zu denken. Er brauchte lange, bis er morgens nicht mehr weinte. Mindestens zwei Monate, vielleicht sogar noch länger, aber das werden wir nie wissen. Denn zwei Monate nachdem wir mit der Eingewöhnung gestartet waren, ergab es sich aus unterschiedlichen Gründen, dass meine Eltern beide nicht mehr arbeiten gingen und von da an kümmerten sie sich um meinen Sohn während ich im Büro war. Die Tagesmutter mochte ihn sichtlich und ich hatte ein gutes Gefühl bei ihr gehabt, aber mir war es einfach lieber, wenn er seine Tage mit Menschen verbrachte, die ihn aufrichtig liebten. Für eine Tagesmutter bleibt es immer ein Job.

 

Zweiter Akt ° Die Eingewöhnung eines Dreijährigen in den Kindergarten

Als er drei wurde, machten wir die zweite Eingewöhnung durch. Ich wähle diese Worte ganz bewusst. Denn auch wenn er nun ein Kleinkind und kein Baby mehr war, fiel es ihm immer noch unheimlich schwer, sich von mir zu trennen und sich an die fremden Erzieher und Kinder zu gewöhnen. Dieses Mal mutete ich ihm den Trennungsschmerz zu, weil ich dachte, er müsse mit drei doch endlich in den Kindergarten. Er war ja eh schon „spät dran“, denn die meisten anderen Kita-Anfänger waren erst zwei Jahre alt. Mein Sohn weinte zwar nach einigen Wochen nicht mehr täglich, aber bis er etwa fünf Jahre alt geworden ist, ist er nie gerne in den Kindergarten gegangen, weil er einfach lieber bei seinen engen Bezugspersonen geblieben wäre – mir oder seinen Großeltern.

Trotzdem schickte ich ihn immer wieder hin. Weil es doch heißt, Kinder müssen in den Kindergarten. Uns Eltern wird von Gesellschaft und Politik eingetrichtert, unsere Kinder würden bereits in so jungen Jahren abgehängt, wenn wir ihnen das Frühförderprogramm der Kitas willentlich vorenthalten. Als ob ein Kleinkind verdummen würde, wenn es zuhause bei seinen Eltern bleibt. Natürlich tut der Kindergarten Kindern aus Familien aus „bildungsfernen Haushalten“ gut, diese sind ausgenommen. Aber viele Studien belegen, dass sie die einzigen Kinder sind, die vom Kindergarten klar profitieren. Der Großteil der deutschen Kinder verpasst in puncto Förderung nichts, wenn er nicht den Kindergarten besucht. Andererseits, Studien gibt es viele und sie scheinen alles mögliche zu belegen. Die Unsicherheit bleibt.

 

 

 

Dritter Akt ° Die Eingewöhnung einer Einjährigen bei der Tagesmutter

Ein Jahr später stand die Eingewöhnung meiner Tochter bei ihrer Tagesmutter an. Dieses Mal bei einer anderen Frau, denn wir waren in der Zwischenzeit umgezogen. Sie war ein ganz anderer Typ als die erste, aber auch bei ihr hatte ich ein gutes Bauchgefühl. Mein kleines Mädchen machte es ganz gut (soweit man das sagen kann), aber natürlich weinte auch sie sehr oft beim Abschied und war einfach nur traurig, dass Mama ging. Sie war immerhin nur ein Jahr alt. Da sie ein anderer Typ ist als mein Sohn, zeigte sie ihre Traurigkeit bezüglich unserer Trennung nicht so offen. Doch sie schlief wochenlang schlecht und hatte an der neuen Situation ohne eine vertraute Bezugsperson sichtlich zu kauen.

Mich jedoch hatte die Idee einer Königin der neuen Vereinbarkeit nach wie vor fest im Griff und ich hörte nicht auf mein Herz. Stattdessen ergab ich mich dem einseitigen Kanon von Politik, Gesellschaft und den anderen Working Moms um mich herum, die das Mantra der neuen Vereinbarkeit runterbeteten. Ich hatte einfach das Gefühl, es sei ganz normal, kleine Kinder in eine Fremdbetreuung zu geben, alles andere sei irgendwie rückständig.

 

Kurzes Intermezzo

Heute bereue ich das. Ich fühle mich schlecht, wenn ich daran denke, dass ich auf Andere gehört habe, statt auf meine eigene innere Stimme und die Bitten meiner Kinder. Denn sie waren zu den besagten Zeitpunkten einfach noch nicht soweit. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir bin: ich war es auch nicht.

 

Vierter Akt ° Die Eingewöhnung einer Zweijährigen in den Kindergarten

Als meine Tochter zwei wurde, schickten wir sie in den Kindergarten in der Hoffnung, es würde dort vielleicht besser für sie sein. Und weil wir den Platz bekommen und Angst hatten, er wäre sonst weg. Gute Kindergartenplätze liegen hier nicht gerade auf der Straße.

Aber es trat keine Besserung ein, die Kamikatze schlief noch schlechter als zuvor und es zerriss mir bei dieser vierten Eingewöhnung beinahe das Herz. Ich konnte einfach nicht mehr. Nach einigen Wochen, in denen mein kleines Mädchen im Kindergarten bitterlich weinte und sich an mich klammerte und ich wiederum draußen im Auto weinte und mich furchtbar schlecht fühlte, beschloss ich das endlich zu beenden. Wir meldeten sie in unserem Wunsch-Kindergarten ab und gaben auch sie wie zuvor ihren großen Bruder zu ihren Großeltern. Und endlich wurde alles gut.

 

Eingewöhnung in die Kita von Kindern und Eltern

 

Langes Intermezzo ° „Tu das Beste, das du kannst, bis du es besser weißt. Wenn du es besser weißt, mach es besser.“ Maya Angelou

Das hier ist ein persönlicher Bericht über unsere persönliche Situation in  dem unsere persönlichen Gefühle geschildert werden. Ich möchte ausdrücklich NICHT die Betreuung von Kleinkindern durch Tagesmütter oder Kindergärten schlecht machen. Es gibt Kinder, die sich schon in ganz jungen Jahren gut von den engen Bezugspersonen lösen und alle mit der Situation glücklich und zufrieden sind. Ich kenne solche Kinder persönlich und würde ihren Müttern (und Vätern) niemals ein Recht auf diese Entscheidung absprechen wollen. Ich bin für Toleranz und Respekt unter uns Müttern und Eltern. Jedes Kind ist ein Individuum, so wie es jede Mutter und jeder Vater sind und damit auch jede Familie ihre ganz eigene Geschichte und ihren eigenen – nur für sie – richtigen Weg hat.

Jede Familie in unserer Gesellschaft sollte ihren eigenen Weg gehen dürfen. Wir haben das als Familie lange nicht getan, sondern uns eingefügt. Weil man es eben so macht. Und das sollte nie, wirklich nie und in keiner Lebenssituation eine Motivation oder Entschuldigung für eine persönliche Lebensentscheidung sein.

Könnte ich die Zeit zurückdrehen, hätte ich finanziell die Pobacken kräftig zusammengekniffen, auf die Alles-ist-möglich-und-alle-sind-dabei-glücklich-Mythen gepfiffen und hätte meinen Sohn und meine Tochter so lange bei mir behalten, wie sie es individuell gebraucht hätten – und so lange wie es sich für mich persönlich gut angefühlt hätte. Ich hätte ihnen als auch mir den Schmerz und die negativen Gefühle der zu frühen Trennungen erspart. Ich bedaure es sehr, dass ich das meinen Kindern aufgezwungen habe, denn sie haben darunter mehr gelitten als ich, weil es eben Kinder und sie auf unseren Schutz angewiesen sind.

Aber niemand kann die Zeit zurückdrehen und ich habe meinen Frieden damit gefunden. Ich hoffe, das tun meine Kinder auch. Man sagt doch, Kinder wären tougher als wir denken und ich bete, dass das stimmt.

 

 

Fünfter Akt ° Eingewöhnung einer Dreijährigen in den Kindergarten ° Achtung, Spoiler: mit Happy End

Vor ein paar Tagen haben wir unsere fünfte Eingewöhnung abgeschlossen. Vielmehr hat meine Tochter selber beschlossen, dass sie beim zweiten Anlauf mit drei Jahren nach einer Woche mit Mama im Gruppenraum eingewöhnt ist. Als ich am Morgen meine Jacke ablegte, um wie mit den Erziehern besprochen für ein paar Minuten mit reinzugehen, bevor ich wieder ging,  sagte mein großes kleines Mädchen zu mir: „Nein Mama, zieh die Jacke wieder an. Ich bin jetzt ein großes Mädchen und das hier ist ein Kindergarten, kein Mamagarten„.

So sollte eine Trennung voneinander laufen. Wenn Kind und Mama nach einer kurzen Eingewöhnungszeit soweit sind und sich mit Vorfreude auf ein baldiges Wiedersehen fröhlichen Herzens voneinander verabschieden.

Vieles war falsch, aber alles wird gut.

Kopie von Eure Barbara

 

 

 

5 Kommentare

  1. Liebe Christine,

    danke für deinen Kommentar, es freut mich sehr dass dir mein Artikel gefällt.

    Unbedingt müssen Hausfrauen und die sogenannte Care Arbeit im allgemeinen viel mehr Wertschätzung erfahren. Darauf versuche ich hier mit diesem Blog immer wieder aufmerksam zu machen.
    Ich selber bin keine sogenannte Hausfrau, aber ich empfinde tiefen Respekt für die Frauen (und leider noch wenigen) Männer, die sich ganztags der Pflege und Erziehung ihrer Kinder und vielleicht sogar noch erwachsenen Angehörigen widmen.
    Es ist schlicht und einfach UNGERECHT, dass diese wertvolle Tätigkeit, mit der Menschenleben um so Vieles bereichert werden, viel weniger gilt als Erwerbsarbeit, bei der es um rein wirtschaftliche Interessen geht. Das ist unmenschlich, finde ich. Ich könnte mich bei dem Thema fast schon wieder in Rage schreiben, du merkst es ;-)

    Ich habe vieles gelernt in den letzten Jahren. Über das Leben und über mich. Eine der wichtigsten Lektionen war, nicht zu viel zurückzuschauen, sondern so oft es geht nach vorne. In diesem Sinne, vielen Dank auch für deine aufmunternden Worte, ich weiß sie wirklich sehr zu schätzen.

    Hab einen guten Start in die Woche und auf hoffentlich bald!
    Barbara

  2. Liebe Barbara
    Was für ein toller Artikel. Ich könnte so viel dazu sagen, aber das wäre zu viel für diesen Rahmen. Ich bin einfach froh, dass ich inzwischen viele kenne (egal ob persönlich oder als Blogger), die ganz klar sagen, dass nicht jede Mama und/oder Papa gerne eine möglichst frühe Fremdbetreuung wünscht. Das stört mich schon sooo lange, dass es von der Politik, aber auch von vielen Medien so suggeriert wird. Denn auch nicht jedes Kind will schon so früh von Mama und Papa getrennt werden.
    Umso besser, wenn du und andere Blogger(innen) dazu mal was schreibt. Vielleicht hilft es ja was. Vielleicht bekommen Hausfrauen und Mütter dann auch endlich mal (wieder) mehr Anerkennung und müssen sich nicht ständig rechtfertigen. Wobei man es ja als Mama irgendwie eh nur falsch machen kann und man sich irgendwie grundsätzlich für sein Lebrnsmodell rechtfertigen muss (egal ob working mom oder Hausfrau).
    Sei stolz auf dich und hadere nicht zu sehr mit der Vergangenheit. Du hast ja erkannt, was deinen Kindern gut tut und bist für sie da. Du verstehst sie. Und auch als Mama darf man Fehler machen. Niemand ist perfekt.
    Ganz liebe Grüße
    Deine Christine

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